Es war mein erster Job, ich war 14 und unglaublich stolz: Jeden Samstag trug ich Supermarkt-Werbung aus und verdiente so mein erstes eigenes Geld. An einem Morgen betrat ich ein Grundstück, das ich schon einige Male beliefert hatte. Plötzlich preschte ein Labrador-Retriever bellend auf mich zu und sprang an mir hoch. Ehe ich mich versah, biss er in die Prospekte in meiner Hand und zerfetzte sie knurrend. Zum Glück griff der Besitzer ein. Ich war trotzdem völlig verstört. Und gehe seither mit großer Angst vor Hunden durchs Leben.
Ich fürchte mich vor allem vor größeren Hunden. Was blöd ist, denn die Vierbeiner sind über- all. In der Stadt, im Park, bei Freunden und immer öfter auch im Büro. Allein joggen im Feld? Für mich unmöglich. Auf dem Gehweg wechsle ich die Seite, wenn mir ein Mensch mit Hund entgegenkommt. Wie oft habe ich mich schon hinter Bäumen, Müllcontainern oder Autos versteckt, weil irgendwo ein frei laufender Hund herumscharwenzelt? Dass meine Hundeangst nur von sehr wenigen Menschen ernst genommen wird, macht es nicht leichter. Aussagen wie „Der tut doch nichts“, helfen einem nicht. Dabei mag ich Hunde sogar. Trotzdem hielt ich sie die letzten 15 Jahre lieber auf Distanz.
Als ich dieses Jahr in eine neue Wohnung ziehe – mit einer Mitbewohnerin, die ihren Windhund ab und zu da hat – beschließe ich: Es muss sich was ändern. Auf meiner Suche nach einem Training stoße ich auf wecoachyou. Das Team aus fünf Mensch-Hund-Coachinnen, mit Standorten in Offenburg, Frankfurt, München, Polling und Dresden, verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, der die individuellen Persönlichkeits- merkmale von Mensch und Hund berücksichtigt (wecoachyou.de). Von den Coachinnen ist eine Veterinärmedizinerin und drei andere sind staatlich geprüfte Hundetrainerinnen.
Beim Kennenlerntermin mit Petra Metz und Angelika Peter sprechen wir über den Auslöser meiner Angst – und ganz viel anderes: über meine Eltern, ehemalige Lehrkräfte, meinen Partner und Freunde, über Introversion und Unsicherheiten. Ich lerne, dass es okay ist, Angst zu haben, und ich mich dafür nicht schämen muss. Und noch viel wichtiger: Ich darf erwarten, dass man meine Angst respektiert. Zum Abschluss geben mir die beiden konkrete Tipps zur Bewältigung von Angstattacken. Mein Körper reagiert meist mit Schwitzen und schnellem Atem, ich verkrampfe und kämpfe mit den Tränen. Was da hilft? „Schreien zum Beispiel“, sagt Petra. „Manche singen auch, hüpfen auf und ab oder schütteln sich. “Egal wie, du musst die Anspannung im wahrsten Sinne abschütteln, damit du nicht noch mehr verkrampfst“, erklärt sie.
Gelegenheit dazu bietet sich zwei Wochen später beim Seminar „Dein Hund & Du“. Petra und Angelika wollen uns anleiten, das Wesen eines Hundes besser zu erkennen und zu verstehen. Wir schauen uns verschiedene Hunderassen an. Ich lerne, dass auch Hunde intro- oder extravertiert sind und jeder Hund eine Rolle hat: Entscheidungsträger, Leithund oder Mitarbeiter. Dann üben wir mit echten Tieren. Als ein Hund eine schnell laufende Teilnehmerin bellend verfolgt, erschrecke ich. Bellen triggert meine große Angst, gebissen zu werden. Wie empfohlen reagiere ich mit kräftigem Schütteln und einem lauten „woah“. Und tatsächlich: Ich bin weniger angespannt. „Ein Hund, der bellt, hat was zu sagen“, erklärt mir Petra. Und dass es sehr lange dauert, bis ein Hund wirklich beißt. „Nur wenn er sich bedrängt fühlt.“ Gehe ich also an einem Hund vorbei, der mich anbellt, kann ich sagen: „Ich möchte nur hier lang gehen. “Ich tue dir nichts, du tust mir nichts.“ Hunde, so Angelika, spüren die Energie eines Menschen. Je vertrauensvoller ich zu mir selbst bin, desto besser können auch Hunde mich einschätzen.
Zum Abschluss nehmen mich Teilnehmer Martin und seine Hündin Kira mit auf einen Spaziergang. Wir laufen durchs Feld, Kira streift an meinen Beinen vorbei. Ich bin innerlich bei mir und weiß, dass sie nur schnuppert. Dass keine Gefahr von ihr ausgeht, das spürt auch sie. Als uns ein körperlich deutlich überlegener Rüde entgegenkommt, drehen wir auf meinen Wunsch dann aber doch um. „Du kannst nicht von heute auf morgen den Schalter umlegen. Das ist ein langer Prozess, der einfach Zeit braucht“, ermutigen mich die Coachinnen. Immerhin: Ein Anfang ist gemacht.